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05.12.2025

Persönliche Erklärung zur zweiten und dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Wehrdienstes (Wehrdienst-Modernisierungsgesetz – WDModG)

Der Bun­des­tag hat heute mit den Stim­men von CDU/CSU und SPD  beschlos­sen, eine ver­pflich­tende Mus­te­rung für alle Män­ner, die ab dem 1. Januar 2008 gebo­ren wur­den, wie­der­ein­zu­füh­ren.  Zudem soll es zu einer soge­nann­ten “Bedarfs­wehr­pflicht” kom­men, wenn sich im Anschluss daran, nicht genü­gend Frei­wil­lige für den Wehr­dienst mel­den. Diese sol­len per Los­ver­fah­ren ermit­telt wer­den.

Wir haben die­ses Gesetz als Grüne Bun­des­tags­frak­tion abge­lehnt und mit einem Ent­schlie­ßungs­an­trag (21/3081) gefor­dert, eine Enquete-Kom­mis­sion für gesamt­ge­sell­schaft­li­che Resi­li­enz ein­zu­rich­ten. Ziel ist ein ergeb­nis­of­fe­ner Dis­kus­si­ons­pro­zess dar­über, wie mili­tä­ri­sche und zivile Dienst­for­men – frei­wil­lige, hybride und ver­pflich­tende – sowie wei­tere For­men gesell­schaft­li­cher Mit­wir­kung zur Gesamt­ver­tei­di­gung und Resi­li­enz bei­tra­gen kön­nen. In die Arbeit der Enquete-Kom­mis­sion sol­len alle Betei­lig­ten und Betrof­fe­nen, ins­be­son­dere und maß­geb­lich junge Men­schen ein­be­zo­gen wer­den.

Syl­via Rie­ten­berg hat zusätz­lich zusam­men mit eini­gen ande­ren Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen der Bun­des­tags­frak­tion von Bünd­nis 90/Die Grü­nen eine Per­sön­li­che Erklä­rung nach §31 der Geschäfts­ord­nung des Deut­schen Bun­des­ta­ges abge­ge­ben. Den voll­stän­di­gen Wort­laut fin­den Sie hier:

Die heu­tige Abstim­mung über das Wehr­dienst­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz fällt uns nicht leicht. Deutsch­lands und Euro­pas Sicher­heit sind bedroht. Es ist des­halb nötig, dass die Bun­des­wehr wie­der in eine Lage ver­setzt wird, in der sie ohne Zwei­fel jeden bewaff­ne­ten Angriff auf Lan­des- oder Bünd­nis­ge­biet stop­pen könnte, immer mit dem Ziel, dass es die­sen Angriff nie geben wird. Dazu braucht es auch mehr Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten. Es ist des­halb rich­tig, die Bun­des­wehr attrak­ti­ver zu machen, um mehr Frei­wil­lige zu fin­den. Es ist ange­sichts der Bedro­hungs­lage auch rich­tig, die Mus­te­rung wie­der ver­pflich­tend zu machen und auch dabei jun­gen Leu­ten die Bun­des­wehr und die Mög­lich­keit einer frei­wil­li­gen Ver­pflich­tung näher zu brin­gen.

Wir haben trotz­dem das Wehr­dienst­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz heute abge­lehnt. Weil in die­sem Gesetz schon skiz­ziert wird, dass der nächste Schritt, falls sich nicht genü­gend Frei­wil­lige mel­den, die Wie­der­ein­set­zung der 2011 aus­ge­setz­ten Wehr­pflicht alten Typs wäre. Das Gesetz ver­pflich­tet nur Män­ner zur Mus­te­rung und blickt allein auf den Wehr­dienst, nicht auf die vie­len ande­ren, für unsere gesamt­ge­sell­schaft­li­che Resi­li­enz eben­falls bedeut­sa­men gesell­schaft­li­chen Dienste. Falls sich nicht aus­rei­chend Frei­wil­lige mel­den, will man eine Bedarfs­wehr­pflicht, die dann im Los­ver­fah­ren eine Zufalls­pflicht nur für junge Män­ner wäre.

Die Wehr­pflicht alten Typs sieht auch aus­drück­lich den Dienst an der Waffe als Regel­fall und die rich­ti­ger­weise grund­ge­setz­lich als Grund­recht garan­tierte Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung als nur aus Gewis­sens­grün­den eigens zu begrün­dende Aus­nahme vor. Wir sind uns bewusst, dass in der gegen­wär­ti­gen Bedro­hungs­lage eine Pflicht zum Wehr­dienst nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann, aber wenn eine Dienst­pflicht nötig wäre, dann müsste sie nicht nur für Män­ner gel­ten und nicht wie­der ein geson­der­tes Ver­fah­ren für die Ver­wei­ge­rung beinhal­ten. Statt­des­sen sollte es die freie Wahl geben, ob die­ser Dienst bei der Bun­des­wehr, im Bevöl­ke­rungs- und Kata­stro­phen­schutz oder im sozia­len oder öko­lo­gi­schen Bereich geleis­tet wird: Ein Gesell­schafts­jahr für alle.

Wir sind uns bewusst, dass eine sol­che Debatte über gesell­schaft­li­che

Ver­ant­wor­tung kon­tro­vers ist. Sie berührt indi­vi­du­elle Frei­heit und ver­langt nach sorg­fäl­ti­ger poli­ti­scher Abwä­gung und brei­tem gesell­schaft­li­chem Kon­sens, weil auch eine Ände­rung des Grund­ge­set­zes nötig wäre. Doch gerade in Zei­ten, in denen unsere Demo­kra­tie von innen wie außen bedroht ist, brau­chen wir eine gemein­same Ant­wort. Ein ver­pflich­ten­des Gesell­schafts­jahr könnte ein Gemein­schafts­pro­jekt für die Frei­heit, die Demo­kra­tie und die Zukunfts­fä­hig­keit unse­rer Gesell­schaft wer­den. Wir sind über­zeugt: Die Inves­ti­tion in Zusam­men­halt, Resi­li­enz und Demo­kra­tie würde sich loh­nen.

Das heute zur Abstim­mung vor­ge­legte Wehr­dienst­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz greift hier viel zu kurz.

Des­halb haben wir das Wehr­dienst­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz der Bun­des­re­gie­rung abge­lehnt und dem Ent­schlie­ßungs­an­trag der Bun­des­tags­frak­tion von Bünd­nis 90/Die Grü­nen zuge­stimmt, in dem die Ein­set­zung einer Enquete-Kom­mis­sion für gesamt­ge­sell­schaft­li­che Resi­li­enz gefor­dert wird. Ziel ist ein ergeb­nis­of­fe­ner Dis­kus­si­ons­pro­zess dar­über, wie mili­tä­ri­sche und zivile Dienst­for­men – frei­wil­lige, hybride und ver­pflich­tende – sowie wei­tere For­men gesell­schaft­li­cher Mit­wir­kung zur Gesamt­ver­tei­di­gung und Resi­li­enz bei­tra­gen kön­nen. Wich­tig ist uns, dass die Erlan­gung gesell­schaft­li­cher Resi­li­enz nicht nur eine Auf­gabe der jun­gen Gene­ra­tion, son­dern aller Gene­ra­tio­nen ist. In die Arbeit einer sol­chen Enquete- Kom­mis­sion sol­len alle Betei­lig­ten und Betrof­fe­nen, ins­be­son­dere und maß­geb­lich junge Men­schen, ein­be­zo­gen wer­den.

Ber­lin, 05.12.2025

Syl­via Rie­ten­berg, MdB