Neue Zahlen zur Wohnungslosigkeit: Kurskorrektur der Bundesregierung dringend notwendig
“Die Zahlen der BAG Wohnungslosenhilfe müssen die Bundesregierung endlich aufrütteln. Sie muss sich entscheiden, welchen Weg sie gehen will. Will sie Wohnungslosigkeit tatsächlich überwinden, oder riskiert sie durch sozialpolitische Verschärfungen neue Notlagen?”
erklärt Sylvia Rietenberg anlässlich der heute veröffentlichten Zahlen zur Wohnungslosigkeit in Deutschland.
Anlässlich der heute veröffentlichten Zahlen der BAG Wohnungslosenhilfe und den daraus hervorgehenden erneut gestiegenen Wohnungslosenzahlen erklärt Sylvia Rietenberg, Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen sowie im Ausschuss für Arbeit und Soziales:
Der erneute Anstieg der Wohnungslosenzahlen um 11 % auf über eine Million Menschen muss die Bundesregierung endlich aufrütteln. Sie steht vor einer grundlegenden Entscheidung: Will die Regierung Wohnungslosigkeit tatsächlich überwinden, oder nimmt sie mit sozialpolitischen Verschärfungen neue Notlagen in Kauf? Mit großer Sorge beobachten wir ein zunehmend widersprüchliches Regierungshandeln. Während der Nationale Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030 nur schleppend vorankommt, plant die Bundesregierung im Rahmen der sogenannten “neuen Grundsicherung” Regelungen, die das Risiko von Wohnungsverlust deutlich erhöhen.
Anstatt die soziale Wohnraumversorgung zu stärken oder entschlossen gegen Schrottimmobilien vorzugehen, soll im SGB II die Karenzzeit für unangemessen hohe Wohnkosten abgeschafft werden. Das schwächt den Schutz vor Wohnungsverlust in einer Lebensphase, die für viele Menschen ohnehin von Unsicherheit geprägt ist. Besonders problematisch ist, dass die vorgesehenen Kürzungen greifen können, bevor Betroffenen überhaupt eine realistische Möglichkeit zur Kostensenkung, etwa durch einen Umzug, zur Verfügung steht. In einem angespannten Wohnungsmarkt, in dem bezahlbare Alternativen vielerorts fehlen, wirkt diese Politik doppelt zynisch.
Die Bundesregierung muss die Ziele des Nationalen Aktionsplans endlich ernst nehmen und ihre sozialpolitischen Maßnahmen konsequent am Schutz vor Wohnungslosigkeit ausrichten. Nur ein klarer Kurs für bezahlbaren Wohnraum, wirksame Prävention und verlässliche Schutzmechanismen kann dazu beitragen, die hohen Wohnungslosenzahlen nachhaltig zu senken.
Hintergrund
In regelmäßigen Abständen veröffentlich die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. einen eigenen Bericht mit Zahlen zur Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG W) ist die bundesweite Arbeitsgemeinschaft der verantwortlichen und zuständigen Sozialorganisationen im privaten und öffentlichen Bereich sowie der privaten und öffentlich-rechtlichen Träger von sozialen Diensten und Einrichtungen für Personen mit Erfahrung von Wohnungsnot.
Seit 2022 erhebt das Statistische Bundesamt jährlich zum Stichtag 31. Januar die Zahl der institutionell untergebrachten wohnungslosen Personen. Das Hochrechnungsergebnis der BAG W liegt oft deutlich über der Gesamtzahl der amtlichen Statistik. Dies liegt u. a. daran, dass die Hochrechnung (auch) eine Jahresgesamtzahl ermittelt, die alle Personen, die im Verlauf eines Jahres wohnungslos sind, umfasst statt an einem bestimmten Stichtag. Des Weiteren sammelt die BAG W auch Zahlen zu wohnungslosen Personen in Haft, in Gewaltschutzeinrichtungen, im Gesundheitssystem oder in nicht-abgesicherten Betriebswohnungen sowie Selbstzahler*innen in Billigpensionen und Monteurswohnungen und anerkannte Geflüchtete ohne Wohnung. Auch Menschen, die ohne Mietvertrag auf Campingplätzen oder in Gartenanlagen leben. Damit wird der Wohnungsbedarf wesentlich genauer abgebildet.
Mehr Informationen gibt es auf der Website der BAG Wohnungslosenhilfe.