In ihren Antworten auf schriftliche Fragen zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit (NAP W) bleibt die Bundesregierung auffällig unkonkret. Zwar listet sie Termine und Strukturen auf, vermeidet aber klare Aussagen zu Inhalten, Ergebnissen oder Fortschritten.
So soll das Jahresarbeitsprogramm 2025 des NAP W im Januar 2026 im Lenkungskreis abschließend beraten werden, eine weitere Sitzung war für September 2026 geplant. Auch die drei Facharbeitsgruppen haben für 2025 Schwerpunkte identifiziert, die in Unterarbeitsgruppen bearbeitet werden. Für 2026 sind weitere Sitzungen vorgesehen, eine Jahreskonferenz ist für März 2026 geplant. Doch weder werden die Mitglieder der Arbeitsgruppen benannt noch deren konkrete Themen und Arbeitsergebnisse beschrieben. Auch die Beteiligung anderer Bundesressorts wie des Arbeits- oder Gesundheitsministeriums bleibt offen.
Die Bundesregierung verweist auf organisatorische Abläufe statt auf konkrete Fortschritte. Das lässt Zweifel aufkommen, ob der Prozess zum Nationalen Aktionsplan tatsächlich ressortübergreifend und zielorientiert gesteuert wird. Transparenz über die Zusammensetzung der Gremien und den Stand der Umsetzung wäre notwendig, um Verbänden, Expertinnen und Praktikerinnen eine echte Mitwirkung zu ermöglichen.
Fehlende Daten zu Hilfen nach SGB XII
Besonders problematisch ist die Antwort zur Nutzung der Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) räumt ein, dass keine Daten darüber vorliegen, in welchem Umfang diese Leistungen für wohnungslose Menschen tatsächlich eingesetzt werden. Aufgrund der Länderzuständigkeit sieht sich der Bund zudem nicht in der Lage, Vorgaben zu machen oder konkrete Maßnahmen zu initiieren.
Das BMAS habe lediglich angeregt, eine Unterarbeitsgruppe zu möglichen Hürden bei der Anwendung der Hilfen zu bilden, und verweist auf Fachkongresse des Deutschen Vereins. Als bekannte Probleme nennt das Ministerium komplexe Antragsverfahren und lange Bearbeitungszeiten – ohne jedoch konkrete Schritte zur Abhilfe zu benennen.
Ohne belastbare Daten ist keine gezielte Steuerung möglich. Die Bundesregierung bleibt hier in einer passiven Rolle und beschränkt sich auf den Hinweis, dass die Länder zuständig seien. Eine aktive Unterstützung zur Verbesserung der Umsetzung wäre aber dringend erforderlich.
Fazit
Die Antworten der Bundesregierung sind insgesamt formal und oberflächlich. Es fehlt an konkreten Maßnahmen, Ergebnissen und einer klaren Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Statt Transparenz und Fortschrittsdarstellung gibt es organisatorische Beschreibungen und Verweise auf Arbeitsgruppen. Besonders gravierend ist das Fehlen einer Datenbasis zu den Hilfen nach § 67 SGB XII – damit fehlt die Grundlage für wirksame politische Steuerung.
Die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit sollte deutlich transparenter und verbindlicher gestaltet werden. Nur mit klaren Verantwortlichkeiten, belastbaren Zahlen und einem sichtbaren politischen Willen kann das Ziel, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden, erreicht werden.
Sylvia Rietenberg, MdB
Hintergrund
Im Koalitionsvertrag von 2021 hat sich die Bundesregierung unter Beteiligung von Bündnis 90/Die Grünen verpflichtet, Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 zu überwinden. Dazu wurde im April 2024 der Nationale Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit (NAP W) beschlossen. Er soll als bundesweiter Handlungsleitfaden die gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft bündeln.
Der Plan verfolgt das Ziel, dass jede wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Person bis spätestens 2030 Zugang zu einer eigenen Wohnung erhält. Grundlage dafür sind abgestimmte Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Wohnraumschaffung und soziale Unterstützung.
Mit den schriftlichen Fragen der Bundestagsabgeordneten Sylvia Rietenberg (Bündnis 90/Die Grünen) vom September 2025 wurde der aktuelle Stand der Umsetzung und die konkrete Rolle der beteiligten Ministerien erfragen.